Premiere:

Mitte Oktober 2006

RADOWAN III

Von Dusan Kovacevic

 

Einige Worte zum Bühnenbild: 

Erneut steht mir eine wirklich große Herausforderung und Aufgabe bevor. Mit unserer ersten Produktion „ Mein Bulgarien...“ haben wir uns die Latte der Ansprüche für folgende Arbeiten hoch gelegt. Mit geringen Mittel, aber umso mehr Engagement haben wir mehr auf die Bühne gezaubert, als manch große Häuser verwirklichen hätten können. (ich zitiere Kollegen aus den Führungsetagen einiger „großer“ Wiener –und internationaler- Theaterhäuser)

 

Manche Autoren be- schreiben in Ihren Stücken den Bühnenraum und seine Atmosphäre mehr oder minder präzise. Das kann sehr fantasieanregend  sein, denn es erlaubt die Vorstellungen des Schriftstellers nachzuvollziehen und sie weiterzuentwickeln. Oder sie überhaupt zu ignorieren und neu zu interpretieren. Manche Autoren stellen gar keine Anforderungen. Und einige Autoren schreiben einfach Stücke, die einen Bühnenraum ohne viele Regieanweisungen beschreiben. Durch die Figuren, durch den Text selbst. Ein solches Stück schrieb Dusan Kovacevic mit Radowan III. Ein Stück, das die Kreativität des Ausstatters tanzen lässt. Es braucht einen Bühnenraum, der fast unverwirklichbar ist. Und das macht das Stück für mich noch reizvoller.

 

Nun stellt uns Dusan Kovacevic diese neue, nicht minder große und spannende Aufgabe.

Wir sehen eine Wohnung in schlichtem, sozialistischem Charme. Ein Plattenbau, dessen architektonische Halbwertszeit wohl nur mehr wenige Wochen beträgt. Im zwölften Stock, ohne ermutigende Aussicht. Dem Himmel so nah und doch so tief in den menschlichen Abgründen. Mit Fenstern, die höchstens zum Hinausspringen animieren. (Was auch passiert- in einer aberwitzigen Szene stürzt sich die halbe Familie mehrmals! in die Tiefe) In dieser Betonhölle verschanzt sich die Familie um Oberhaupt Radowan. Der Imperator eines absurden Staates. Ein Staat mit eigenen Regeln  und noch eigenerer Ästhetik! Das Chaos als Gestalter einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft. In diesem einen Raum wird gelebt, gegessen, getrunken, geschlafen, gestritten und Pläne geschmiedet. Schlachtpläne. Das Bühnenbild zu Radowan III ist kein Raum, es ist eine Welt. Eine Welt, die sich auflöst. Eine Welt, die zerstört wird, vom Wahnsinn seiner Bewohner. Es ist Gefängnis und Bunker zugleich, es ist ein Staat auf vierzig Quadratmetern, dessen Grenzen bis zum bitteren Ende verteidigt werden. Und- es wird zerstört, wie alles, was Menschen in Irrglauben und Ignoranz vernichten. Kein Stein bleibt am anderen. Am Ende des Stückes geht alles in Schutt und Asche unter- in einem aberwitzigen Nachbarkrieg. Aber- spektakulär, bitte schön!

Grausam, aber menschlich. Und unglaublich komisch.

Ein Theaterstück vom Balkan ist Bild gewordenes Fleisch und Blut. Beton gewordene Tränen und Schweiß! Es ist wie ein Musikinstrument, das lacht, weint, singt, tanzt, schreit und wütet. Und das ist meine eigentliche Herausforderung. Nichts ist langweiliger als bloße Ausstattung. Wenn ein Schauspieler mir sagt, er fühle sich zu Hause in einem Bühnenbild, dann stimmt die Idee, der Entwurf. Auch, wenn der Irrsinn Mitbewohner ist.

 

 

Andreas Lungenschmid, Wien am 03.01.2006

Im Kabelwerk

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